Wer jetzt sensationslüstern auf diesen Text geklickt hat, den muss ich enttäuschen: Mir geht es nicht schlecht. Zwar auch nicht super, toll, großartig oder Ähnliches, aber weit entfernt von schlecht. Von außen betrachtet könnten manche Beobachter aber durchaus auf die Idee kommen: Durch einen Mangel an körperlicher Fitness (ich nenne das jetzt einfach mal so) bin ich in meinem Alltag eingeschränkt. Dieses Defizit hat dafür gesorgt, dass ich mich beruflich nicht so entwickeln konnte, wie ich es mir gewünscht hätte. Es sorgt auch dafür, dass man sich manchmal über eigentlich Banales, aber auch über Situationen, die nicht zum täglichen Einerlei gehören (Stichwort: Urlaubsreisen; das hatte ich hier schon mal geschrieben) den Kopf zerbrechen muss. Wenn ich mich zurücklehne und noch mal in mich gehe, fällt mir bestimmt noch eine Menge ein, das ich schlecht finden könnte. Ich müsste mich dafür gar nicht übermäßig anstrengen. Aber ehrlich: Was soll der Quatsch? Ich habe eine tolle Familie und Freunde, die mich unterstützen, wenn das nötig ist. Durch familiären Einsatz ist mein Zuhause so gut wie barrierefrei. Ich finde, das ist eine ganze Menge, für das ich dankbar sein kann und bin. Irgendwann wird es hinsichtlich meiner Mobilität schwieriger werden, aber auch das ist zu bewältigen. Warum? Na, siehe oben!Wir kommen zu den Menschen der dritten Sorte. Hier ist das Schlimmste bereits überstanden, der Eingriff ist super verlaufen, die Rekonvaleszenz klappt problemlos. Aber es wird gejammert: Schmerz hier, Schwierigkeit da, alles geht (noch) so langsam. Ach, ach, ach... Ich habe dabei eine OP im Hinterkopf, die in Deutschland zum Standard geworden ist und über die ich mir aufgrund eigener Erfahrungen ein Urteil erlauben kann. Ich meine ausdrücklich nicht hochkomplizierte Eingriffe wie die Behebung eines Herzklappenfehlers oder die Entfernung eines Hirntumors. Vor beiden und einigen anderen habe ich höchsten Respekt.
Aber ich fühle, dass die ersten "Ja-abers" auf dem Weg ins Kommentarfeld sind. Pflegenotstand! Überlastung des medizinischen Personals! Stimmt alles. Auf diesem Gebiet ist einiges durch falsche politische Entscheidungen in eine Schieflage gesteuert worden. Trotzdem gilt: Uns wird geholfen, und ich finde es wünschenswert, wenn das mal öfter wahrgenommen werden würde. Wer hier ein "Ersatzteil" bekommt, wird danach im Regelfall in eine Reha-Klinik geschickt - was in dieser Form weltweit einzigartig ist. Und auch dort: Jammerlappen an jeder Ecke. Natürlich nicht alle, aber viel zu viele, die den Mitpatienten dann mit ihrem Gequengel die Stimmung versauen.
Es geht mir nicht darum, zu beschönigen, was schlecht läuft, aber die eigene Situation realistisch einzuschätzen und mal ins richtige Verhältnis zu setzen würde dazu beitragen, Ressourcen zu schonen, die beim Jammern vergeudet werden - psychische und physische. Mitleid war schon immer ein schlechter Ratgeber.
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