Es geht mir nicht darum, etwas zu verharmlosen oder kleinzureden, aber oft denke ich: Warum fällt es manchen Menschen so schwer, das Positive in ihrem Leben wahrzunehmen? Ein Beispiel? Okay. Wer schon ein paar Texte dieses Blogs oder auch der anderen Seiten, auf denen ich regelmäßig etwas von mir gebe, gelesen hat, weiß, dass ich in dem einen oder anderen sozialen Netzwerk unterwegs bin. Wie viele andere Nutzer bin ich Mitglied in Gruppen, in denen ich mir Austausch und Informationen über die Themen erhoffe, die mir wichtig sind. Und da sind gerade dort, wo es um Krankheiten geht, drei Lager vertreten: Im einen wird sachlich nach Tipps gefragt (Wer kennt in XY einen guten Arzt? Wie komme ich an Hilfsmittel? etc.). Da werden dann viele gute Antworten gegeben, die den Betroffenen weiterhelfen. Alles gut, dazu sind solche Gruppen da. Die Menschen im zweiten Lager haben Angst, zum Beispiel vor einer OP, und brauchen Zuspruch. Angst, dass der Eingriff nicht gelingen könnte oder man nicht mehr aufwacht. Beides ist völlig menschlich und sehr gut nachvollziehbar. Auch da sind Zuspruch und Beruhigung angesagt.
Wir kommen zu den Menschen der dritten Sorte. Hier ist das Schlimmste bereits überstanden, der Eingriff ist super verlaufen, die Rekonvaleszenz klappt problemlos. Aber es wird gejammert: Schmerz hier, Schwierigkeit da, alles geht (noch) so langsam. Ach, ach, ach... Ich habe dabei eine OP im Hinterkopf, die in Deutschland zum Standard geworden ist und über die ich mir aufgrund eigener Erfahrungen ein Urteil erlauben kann. Ich meine ausdrücklich nicht hochkomplizierte Eingriffe wie die Behebung eines Herzklappenfehlers oder die Entfernung eines Hirntumors. Vor beiden und einigen anderen habe ich höchsten Respekt.
Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass es hier und da ganz deutlich an Dankbarkeit fehlt: Dankbarkeit dafür, dass wir hier die große Chance haben, adäquat medizinisch behandelt zu werden, sodass danach im Regelfall wieder ein normales Leben möglich ist. Ich kenne auch in meiner Umgebung Menschen, die sich ständig leid tun und ihr Schicksal betrauern. Für die ist das Glas noch weniger als halb leer. In den meisten Ländern dieser Erde wäre ein normales Leben, wie man es bisher gewohnt war, vorbei, wenn die Gelenke wegen einer Arthrose oder weswegen auch immer schlappmachen würden. Keine Arbeit mehr, kein Geld mehr, sicherer sozialer Absturz, wenn man niemanden hat, der ein paar Scheine rüber schiebt.
Aber ich fühle, dass die ersten "Ja-abers" auf dem Weg ins Kommentarfeld sind. Pflegenotstand! Überlastung des medizinischen Personals! Stimmt alles. Auf diesem Gebiet ist einiges durch falsche politische Entscheidungen in eine Schieflage gesteuert worden. Trotzdem gilt: Uns wird geholfen, und ich finde es wünschenswert, wenn das mal öfter wahrgenommen werden würde. Wer hier ein "Ersatzteil" bekommt, wird danach im Regelfall in eine Reha-Klinik geschickt - was in dieser Form weltweit einzigartig ist. Und auch dort: Jammerlappen an jeder Ecke. Natürlich nicht alle, aber viel zu viele, die den Mitpatienten dann mit ihrem Gequengel die Stimmung versauen.
Es geht mir nicht darum, zu beschönigen, was schlecht läuft, aber die eigene Situation realistisch einzuschätzen und mal ins richtige Verhältnis zu setzen würde dazu beitragen, Ressourcen zu schonen, die beim Jammern vergeudet werden - psychische und physische. Mitleid war schon immer ein schlechter Ratgeber.
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