Kaffeekochen im Wandel der Zeit

Der heutige Morgen begann mit einem Lächeln. Einem
breiten Lächeln.
Der Tee dampfte in der Tasse, und ich habe mal kurz geguckt, was es so Neues gab. In der Timeline eines großen sozialen Netzwerks tauchte ein Beitrag eines bekannten deutschen Kaffeerösters auf, bei dem keiner mehr so recht weiß, ob der wahre Schwerpunkt auf dem Kaffee oder dem anderen Kram - vom Kochtopf bis zur Matschhose - liegt.

Ich bin jetzt über 50, meine Kindheit war also in den 1960-er und 1970-er Jahren. Diejenigen unter Euch im ähnlichen Alter wissen sicher noch, wie man damals zu Hause Kaffee kochte: Auf einer Porzellankanne stand ein Porzellan-Kaffeefilteraufsatz, in den ein Kaffeefilter aus Papier gelegt wurde. Der Kaffee wurde nicht fertig gemahlen, sondern in ganzen Bohnen gekauft. Erst kurz vor dem Kaffeekochen wurde die benötigte Menge frisch gemahlen und in den Papierfilter gegeben. Wir hatten eine kleine elektrische Kaffeemühle, mit der das Mahlen schell gemacht war. 
Das Wasser wurde zum Kochen gebracht und in zwei oder drei Portionen auf das Kaffeepulver gegeben. Ich weiß das nicht mehr ganz genau, aber in meiner Erinnerung dauerte das Ganze so um die zehn Minuten. 

Dann kamen Filter-Kaffeemaschinen. Sie hatten gegenüber
dem Brühen per Hand den Vorteil, dass man sie schnell mit Wasser und Kaffeepulver befüllen konnte, nur noch auf den Knopf drücken musste und die Dinge ihren weiteren Gang gingen. Man konnte, während die Maschine vor sich hin röchelte, den Tisch decken, die Kinder wecken, einen Blick in die Zeitung werfen und so weiter. Praktisch war das und wurde noch praktischer, als es dann Kaffeemaschinen mit Warmhalteplatte und danach mit Warmhaltekanne gab. Ein einfaches Modell mit Warmhalteplatte steht bei uns auch noch herum. 

Nach einigen Jahren wurde die nächste Kaffeephase
eingeläutet. Wer wollte sich denn noch auf schnöden Kaffee beschränken? Nein, jetzt musste es eine Maschine sein, die auch einem Barista vor Neid die Tränen in die Augen treiben konnte: Praktisch alle denkbaren Kaffeegetränke konnten ab sofort am heimischen Küchentresen gezaubert werden. Selbstverständlich inklusive des Mahlwerks für super frisch gemahlenen Kaffee und der Vorrichtung, um aufgeschäumte Milch über Cappuccino & Co. zu drapieren. Der Preis hat bei manchen den Griff zur Geldbörse etwas verzögert, aber bei sehr vielen Kaffeefans nicht aufgehalten. Mal eben 1.200 Euro oder mehr auszugeben, hat einen echten Kenner nicht mehr erschreckt. 
Diese Phase des Kaffeevollautomaten-Hypes ebbt gerade ab. Etwas Neues muss her. Aber wie lässt sich dieser Rundum-Genuss mit seiner unübertroffenen Bequemlichkeit und Genussvielfalt jetzt noch steigern? Die Kaffeezucht für den Schrebergarten? Der Automat, der meine Kaffeewünsche verwirklicht, bevor ich sie überhaupt  gedacht habe? Nein.

Setzt Euch jetzt im Geiste mit mir an den Küchentisch und lest die Meldungen in Eurer Timeline des sozialen Netzwerks. Scrollt nach unten. Seht den Post des Kaffeerösters, der per Losverfahren Leute sucht, die die neueste Innovation eines ebenfalls sehr bekannten dänischen Herstellers von Geschirr und Küchenutensilien  testen. Was es ist? Ein "Pour-Over im Miniformat". Der Blick fällt auf das Produktfoto: Auf einer 0,5-Liter-Glaskanne thront ein Dauerfilter, der auf eine Manschette aufgesetzt wurde. Diese Kombination kostet knapp 25 Euro. Genau: Wir sind wieder in den 1960-ern angekommen, als man den Kaffee noch selbst mahlte und ihn mit der Hand aufgoss. Alles ist ein bisschen schicker, aber durch und durch retro.   

Da fällt mir die Werbung des Kaffeerösters aus den 1960-er Jahren ein: Wer von Euch kann sich noch an den älteren Herrn mit dem Schnauzbart und der Melone auf dem Kopf erinnern? Mr. Pithey hieß er. In einem Werbefilm sagte er damals: "Unsere Frauen. Sie kochen den besten Kaffee der Welt!" Alles mit diesem sonoren Schmelz in der Stimme. 
Ihr Lieben, Ihr könnt Eure sündhaft teuren Vollautomaten verschrotten, verschenken oder was weiß ich damit machen. Mr. Pithey ist in Rente, aber das Old-School-Kaffebrühen ist zurück. 
Ich konnte mir übrigens nicht einen lästerlichen Kommentar unter dem Beitrag verkneifen. Die Werbeabteilung des Kaffeerösters antwortete diplomatisch-elegant: "Jede Art der Kaffeezubereitung hat ihren Reiz :-)". 
Ich sehe Euch schon morgens im Bademantel in der Küche stehen und darauf warten, dass das Kaffeewasser durchläuft. Hoffentlich nicht gereizt. 😉

Kommentare

  1. Mir wird jetzt erst bewusst, was mir entgeht. Ich bin Teetrinker, seit ich denken kann. Den Duft von Kaffee liebe ich, den Geschmack dagegen mag ich nicht. Entsprechend dürftig ist meine Ausstattung: eine Notausrüstung für kaffeetrinkende Gäste - von eben jenem Anbieter von Matschhosen, Seifenspendern und Bücherbürsten, bei dem es auch Kaffee zu kaufen gibt. Vielleicht sollte ich umrüsten, um auch mal in zu sein?

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