Bahnfahren geht also auch nicht...

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich fahre nicht gern Bahn. Die Vorstellung, auf windigen Bahnsteigen auf verspätete Züge zu warten und noch nicht mal einen Sitzplatz zu haben, löst bei mir keine Begeisterung aus. Auch, dass ich die Launen und Gespräche der Mitreisenden ertragen muss, die in meiner Nähe sitzen, passt nicht zu meinen Vorstellungen einer komfortablen Fahrt.
Seit Jahren unterstützt mich die Deutsche Bahn darin, mein gestörtes Verhältnis zu ihr aufrechtzuerhalten. Die Drängelei in engen Gängen, die mangelnden Möglichkeiten, das Reisegepäck während der Fahrt sicher unterzubringen, die hohen Stufen an den Türen... das ist alles nichts für mich.

Als ich heute beim sozialen Netzwerk mit dem kleinen Vogel vorbeigeschaut habe, habe ich einen Tweet von Raul Krauthausen gelesen, den er gestern gesendet hat. Ich würde ihn als Behindertenaktivisten bezeichnen: Er war an der Entstehung einer Online-Karte maßgeblich beteiligt, in der barrierefrei zugängliche Lokale, Geschäfte etc. eingetragen werden, er war schon oft in Talkshows, wenn es um Behindertenthemen ging, hat ein Buch über sich und seine Behinderung geschrieben und so einiges mehr.
Raul Krauthausen hat nun in seinem Tweet erzählt, dass er sich in einem Zug befindet, der ihn von der Messe Rehacare in Düsseldorf zurück nach Berlin bringen soll, wo Raul wohnt. Er ist kleinwüchsig, hat Glasknochen und sitzt im Rollstuhl. Das kann man ruhig so schreiben, weil er selbst es schon etliche Male öffentlich berichtet hat.

Mitten auf der Strecke ging irgendetwas an diesem Zug kaputt, sodass alle Fahrgäste evakuiert werden mussten. Problem 1: Wie erwähnt, hat Raul Glasknochen. Ihn zu tragen, bedarf besonderer Kenntnisse. Einsicht des Bahnpersonals: schwach ausgeprägt. Problem 2 - und das hat mich echt fassungslos gemacht! -: Die sogenannten Rettungsbrücken, die im Fall einer Evakuierung eingesetzt werden, sind zu schmal für Rollstühle! Ehrlich, da bleibt mir die Spucke weg! Wie kann das sein in einem Land, in dem jeder mit und ohne Ahnung von Inklusion faselt und Ingenieure die DIN-Normen wie eine zweite Bibel behandeln? Raul hat die Situation damit kommentiert, dass ihm das in diesem Jahr schon zum zweiten Mal passiert ist. 
Die Rollstuhlfahrer sind im Zug geblieben, und es wurde eine Diesellok angefordert, um den Zug zum Bahnhof Stendal zu schleppen. Letzten Endes wurde der Zug bis nach Berlin geschleppt. Das war gewissermaßen Glück im Unglück für die Rollstuhlfahrer, weil es im Bahnhof Stendal keine Fahrstühle gibt. Dort hätten sie dann festgesessen und auf Godot warten können.

In den frühen Morgenstunden ist Raul zu Hause angekommen. In Berlin fuhren da noch keine barrierefreien Taxis, sodass er weitere 40 Minuten auf den nächsten Bus warten musste.
Der Link zum Nachlesen dieses ganzen DB-Dramas ist übrigens hier.
Die Deutsche Bahn muss nun weiterhin auf mich verzichten. Und ich glaube, dass ihr das gar nicht so unrecht ist. 

Kommentare

  1. Liebe Ina,
    bei uns in Boppard wollte mal eine Dame im Rollstuhl mit dem Zug anreisen, um auf ein Kreuzfahrtschiff zu steigen. Sie hatte sich vorher bei der Bahn erkundigt. Leider hatte man wohl vergessen, dass von Gleis 2 nur Treppen nach unten führen. Der nächste Bahnhof, der Rollstuhl geeignet ist, ist weit weg. So viel ich weiß, wurde dann das Rote Kreuz gerufen, die die Frau mit Rollstuhl nach unten transportiert haben.

    Viele Grüße
    Renate

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    1. Liebe Renate,
      ich kann so etwas gar nicht fassen. Wenn in unserem ach so reichen Land nicht mal das funktioniert, braucht man sich auf Inklusion nichts einzubilden.
      Viele Grüße, Ina

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    2. Liebe Ina,

      da stimme ich dir völlig zu! Kurioserweise wurde beim Umbau des damaligen Bahnhof das Thema glatt vergessen. Von Gleis 2 und 3 führt nur eine Treppe nach unten. Und wir waren mal Kneippkurort!

      Viele Grüße
      Renate

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    3. Liebe Renate, ich erlebe auch oft, dass an Behinderte bei Neu- oder Umbauten nicht gedacht wird oder Dinge nicht zu Ende überlegt war. In "meiner" Stadt wurde vor Jahren der zentrale Platz, an dem auch das Rathaus steht, komplett umgebaut. Er ist Fußgängerzone, einmal pro Woche findet der Markt statt. Anstatt, wenn schon mal alles offen ist, eine unterirdische Stromversorgung vorzusehen, laufen die Stromkabel der Marktstände bzw. der Schausteller bei Festen kreuz und quer über den Platz. Oder: In Hannover wurde ein Cinemaxx-Kino komplett saniert und ist jetzt ein Astor-Kino. Das Elend fängt schon damit an, dass man nur über eine Treppe ohne Geländer ins Gebäude kommt. Und das geht dann im Gebäude so weiter. Und das planen Architekten 🙈 Liebe Grüße, Ina

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    4. ...nicht zu Ende überlegt werden. Mit dem Handy geschrieben 😁

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