Neulich bei Ina Müller


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Ende Juli war ich mit meinem Mann bei einem Konzert von Ina Müller. Mein Mann 'musste' super kurzfristig einspringen, weil eine gute Freundin, mit der ich eigentlich dorthin gehen wollte, abgesagt hatte. Er war von der Aussicht, einer von einer Handvoll Männern zwischen 4.990 Frauen zu sein bestenfalls semi-begeistert. Wenn überhaupt.

Kennt ihr Ina Müller? Sie steuert auf Mitte 50 zu, ist eine ziemlich coole Socke und hat eine richtige norddeutsche Kodderschnauze. Ich mag das. Mein Mann wusste zu Beginn noch nicht, ob er das mögen würde. Und dann die erste Überraschung: Mein armer Gatte war nun doch kein Quotenmann! Unter den 5.000 Leuten, die sich da vor der Open-Air-Bühne tummelten, war sicher ein Viertel männlich. Und nur wenige sahen so aus, als hätte man sie an den Haaren her geschleift.

Ina Müller kokettiert mit ihrem Alter. Sie ist jetzt 53, also ein gutes Jahr älter als ich. Sie singt und sabbelt über alles, was sie bewegt und nimmt kein Blatt vor den Mund. An diesem Abend kam sie mit einer Entlastungsschiene auf die Bühne, sie hatte sich kurz zuvor den rechten Fuß gebrochen. Etwas atemlos saß sie auf dem Flügel und legte ihren lädierten Fuß hoch. "Beschäftigt Euch bitte ganz kurz mit Euch selbst." Und gleich danach: "Ich lege Wert darauf: Es ist kein Ermüdungsbruch!" Die Lacher waren ihr sicher, auch von denen, die die 53 erst in 20 oder 25 Jahren erreichen werden. 

Hinterher überlegte ich, wie das so ist mit dem Lebensgefühl. Als ich zwischen 20 und 30 war, war die 50 nicht nur so weit entfernt wie der Mond von der Erde; ich habe das damals auch mit "Alt sein" assoziiert. Nicht gleich damit, dass das Leben jenseits der Fünfzig praktisch vorbei ist, aber doch ziemlich dicht dran. Mit 50 lebt man nur noch auf die Rente zu, modische Extravaganzen gehen dann gar nicht mehr und die Haltung zum Leben ist ... na ja ... zurückhaltend bis konservativ. In meiner Erinnerung haben sich die Menschen ab 50+ auch dezenter gekleidet, mit gedeckten Farben und unaufgeregten Schnitten. Bilde ich mir das ein oder war es wirklich so? Ich bin mir ziemlich sicher, dass fast alle Frauen in dem Alter früher eine Dauerwelle hatten.

Und jetzt? Ich habe beobachtet, dass in diesem Alter tatsächlich viele Leute aus meiner Umgebung etwas schwächeln: Man "hat Rücken", da wird auch schon mal eine Hüft- oder Knieprothese eingesetzt, auch Burn-Outs sind dabei. Aber das Lebensgefühl ist ein anderes: Das geht eher in die Richtung "Da geht noch was!" Das ist (noch) nicht schnarchig, sondern viele probieren Dinge aus, die sie noch nie gemacht haben oder von denen sie bislang keine Ahnung hatten. Mit ein bisschen Glück warten da ja noch ein paar Jahrzehnte auf uns, die so gelebt werden sollten, dass man am Ende sagen kann: "Ich habe die Zeit genutzt." Das ist doch eine tolle Sache.
Vor ein paar Monaten habe ich mich bei einem Blogportal angemeldet, wo alle Neuzugänge einzeln vorgestellt werden und ein Standard-Interview mit ihnen veröffentlicht wird. Das Intro für mich begann so: "Wir stellen auch gerne “ältere”, sprich “erfahrene” Blogger-innen und Instagrammer hier vor. Herzlich gerne sogar. Nun aber zu Ina." Warum die Anführungszeichen? Warum war überhaupt das Alter relevant? Ich war irritiert.

Wider Erwarten hat meinem Mann das Konzert übrigens gefallen, er hat nicht unter der Überzahl der Frauen gelitten. Zwischendurch war sogar von einer "runden Sache" die Rede. 😉

Kommentare

  1. Moin, liebe Ina,

    ich mag Ina Müller, egal in welcher Sendung. Ich höre sie einfach gern sabbeln. Besonders aber liebe ich "Inas Nacht": Da hat sie immer zwei Gäste + musikalische Gäste, die meist nicht so oft im Radio gespielt werden.
    Nächstes Jahr bin ich ja auch genau Mitte 50. Im Kopf, muss ich sagen, fühle ich mich wesentlich jünger. Körperlich bin ich durch die Arbeit kaputt.
    Vom Gefühl her aber würde ich gerne noch einmal etwas Neues starten. Beruflich die letzten Jahre bis zur Rente was mit Büchern machen. Das bleibt aber ein schöner Traum. Da siegt doch immer noch die Vernunft. Schließlich haben wir ein Haus abzubezahlen und mein Job ist relativ sicher. Und hier auf dem Land sind die Möglichkeiten für Bücher eh sehr begrenzt.
    Also mach ich das hobbiemäßig weiter.
    Was mir positiv aufgefallen ist: Ich bin gelassener geworden. Rege mich nicht mehr so schnell auf, lass mir auch nicht mehr alles bieten und sage auch viel öfter nein. Lass mich vor allem nicht mehr auf unnötige zeitraubende Diskussionen ein.

    Liebe Grüße, Anne

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    1. Liebe Anne,
      ob ich gelassener geworden bin, können andere glaube ich besser beurteilen als ich. Etwas Neues machen? Dazu hätte ich auch Lust. Wenn ich den ökonomischen Verstand über Bord werfen könnte, weil ich auf Geld nicht mehr achten müsste, würde ich einen bestimmten Buchladen komplett umkrempeln: andere Ausstattung, nur noch gelernte Buchhändler und keine ungelernten Aushilfen mehr, Aktionen, die mehr Publikum ansprechen usw. Doch da geht es mir wie Dir: Es wird ein Traum bleiben. Aber ich werde immer etwas mit Büchern und Sprache zu tun haben. Auf die eine oder andere Art.
      Liebe Grüße, Ina

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    2. Und einen Traum zu haben, auch wenn er nicht zu erfüllen ist, ist ja auch was Schönes.

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  2. Ina Müller kenne ich leider fast nur dem Namen nach. Ihre Fernsehsendungen sind mir immer zu spät. Im Radio habe ich gelegentlich schon mal was von ihr gehört - und fand sie umwerfend.

    Was das Alter betrifft: Ich bin ja nun schon 60. Grundsätzlich stehe ich zu meinem Alter. Ich kann die Menschen nicht verstehen, die ihr Alter leugnen, statt dankbar zu sein, dass sie so alt werden durften, wie sie gerade sind. Es gibt viele Menschen, die gerne so alt geworden wären, denen es aber nicht vergönnt war.

    Aber wenn ich ehrlich sein soll: In den Tagen vor meinem 60. habe ich doch ganz schön geschluckt. Die 60 ist eine ganz andere Hausnummer als die 50. Oder habe ich nur zu sehr noch die Bilder meiner Großmütter vor Augen, als sie in ihren 60ern waren? Graue Haare, Kittelschürzen ...

    Inzwischen komme ich sehr gut mit der 6 vor meinem Lebensalter zurecht. Als ich 59 war, hat eine Gesundheitsuntersuchung in meinem Fitness-Studio ergeben, dass mein metabolisches Alter 44 Jahre beträgt. Und so jung fühle ich mich heute noch; daran konnte die 60 nichts ändern.

    Sauer werde ich allerdings, wenn ich in der Zeitung lese, dass eine bestimmte Informationsveranstaltung, ein Produkt oder Ähnliches "für Senioren ab 50" gedacht ist. Das kann doch nur ein 25-Jähriger geschrieben haben, oder? ;-)

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    1. Konzertausschnitte oder Fernsehsendungen mit Ina Müller kannst Du Dir auch bei Youtube oder in den Mediatheken ansehen.
      Ich warte mal ab, wie sich das anfühlen wird, kurz vor der 60 zu stehen. Ein paar Jahre habe ich ja noch bis dahin. Aber diese Aufrufe für Senioren ab 50 stammen ganz sicher von Jungspunden :D

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  3. Da siehst Du es: Mit Youtube kann ich mich in meinem fortgeschrittenen Alter gar nicht mehr anfreunden. ;-) Die Mediathek wäre natürlich eine Möglichkeit; daran habe ich gar nicht gedacht. Andererseits: Ich verbringe Tag für Tag so viele Stunden am PC, dass es mich in meiner Freizeit nicht auch noch vor einen Bildschirm zieht. Mein Fernsehkonsum hält sich extrem in Grenzen, und was zeitlich nicht passt, das betrachte ich als definitiv "ver-passt". ;-)

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