Bedauern und Dankbarkeit

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Vor ein paar Tagen sah ich, dass jemand aus meiner Facebook-Freundesliste ein Zitat des französischen Autors und Coaches Stéphane Etrillard geteilt hatte. Mir war der Herr bislang völlig unbekannt, aber seine Äußerung will ich Euch nicht vorenthalten:

"Es wird mir wahrscheinlich in meinem ganzen Leben ein Rätsel bleiben, warum Menschen, die den größten Mist gebaut haben, nicht in der Lage sind, sich zu entschuldigen. Stattdessen verharren sie bockig auf ihrem Standpunkt. Bei genauerer Betrachtung ist es jedoch kein Wunder, denn sich entschuldigen setzt Einsicht und Weitsicht voraus und bedarf wahrer charakterlicher Stärke und Größe, abgesehen von sozialer Geschmeidigkeit. Kleingeister sind per se mit einer aufrichtigen Entschuldigung charakterlich überfordert."

Die Erfahrung, die Etrillard gemacht hat, ist auch mir nicht fremd. Ich habe das insbesondere im eigenen familiären Umfeld erlebt, wo man doch grundsätzlich von einem besonderen Vertrauensverhältnis untereinander ausgehen sollte. In einem Fall wurden Dinge gesagt und getan, die bis heute vehement abgestritten werden - obwohl eine ganze Reihe von Menschen weiß, dass die erhobenen Vorwürfe stimmen. Da dürfte Stolz eine Rolle spielen.
In einem anderen Fall, der schon länger zurückliegt, hat eine Verwandte über eine ihr nahestehende Person eine Lüge verbreitet, die mutmaßlich dadurch entstanden ist, dass sie einen wesentlichen Sachverhalt nicht verstanden hat. Die Person, die sie im Bekanntenkreis angeschwärzt hatte, hatte ihr ihr ganzes Leben lang geholfen, wenn sie Hilfe benötigte.

Ganz dicht dran an der Entschuldigung: der Dank

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Damit ist die Brücke geschlagen zu dem, was vielen Menschen ebenfalls schwer zu fallen scheint: sich zu bedanken. Nicht nur für Kleinigkeiten wie dem Aufhalten einer Tür für die nachfolgende Person, sondern insbesondere für wichtige Dinge, die jemandem aus einem Problem herausgeholfen haben. Die oben erwähnte Verwandte, die eine Unwahrheit gestreut hatte, hat sich übrigens auch nie bei den Menschen bedankt, die sie in ihrem Leben am meisten unterstützt haben; auch nicht bei dem Menschen, dessen Ruf sie lädiert hatte.
Wirklich erschreckend fand ich die Schilderung meines früheren Hausarztes: Er erzählte, dass er in seinem Berufsleben mehreren Patienten über das übliche Maß hinaus geholfen hat, aus einer Notsituation herauszukommen. Viele von ihnen haben sich nicht nur bei ihm nicht bedankt, sondern sogar die Straßenseite gewechselt, um ihn "übersehen" zu können und nicht mit ihm sprechen zu müssen. Vermutlich hat sie die Scham zu einem solchen Verhalten gebracht, aber mich hat seine Schilderung damals ziemlich schockiert.

Ich empfinde es als Selbstverständlichkeit, mich zu bedanken, wenn mir etwas Gutes getan wurde; egal, ob es eine Kleinigkeit oder eine große Hilfe ist. Nichts ist selbstverständlich. Es ist keine Schande, Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber ein Dank gehört für mich dazu. Ein Dank drückt aus, dass man die Hilfe, die man erhalten hat, wertschätzt. Ein "Danke" ist in unserer Familie eine Selbstverständlichkeit, aber im Alltag erlebe ich oft, dass das nicht jeder so zu sehen scheint - und sei es beim Türaufhalten für eine andere Person.
Wie geht Ihr damit um?  Schafft Ihr es, über Euren Schatten zu springen und Euch zu entschuldigen? Oder Euch zu bedanken? Oder fällt es Euch schwer?


Kommentare

  1. Ich empfinde sehr viel Dankbarkeit für vieles im Leben, auch für Dinge, die auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen. Es ist Dankbarkeit anderen Menschen gegenüber, aber auch gegenüber meinem Schicksal, das mir sehr viel Schönes schenkt. Daher sage ich sehr oft und sehr gerne "Danke" - zu anderen Menschen, aber auch "in den Himmel hinein".

    Genauso ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, zu sagen, dass mir etwas leid tut, und dafür um Entschuldigung zu bitten. Noch schöner ist es natürlich, sich erst gar nicht in diese Situation zu bringen. ;-)

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